Im Bauch der Staumauer rauscht es, und der Staumeister, die Wasserprüfer und Messingenieure haben alle Hände voll zu tun. Ein Besuch der Talsperre Klingenberg, die Dresden und große Teile des Weißeritzkreises mit Wasser versorgt.
Der Wind von den Osterzgebirgshöhen weht noch frisch, als sich die Sonne an diesem Frühjahrstag endlich für länger durch die Wolken traut und das Wasser der Talsperre Klingenberg glitzern lässt. Dessen Temperatur bleibt noch einstellig, aber aufs oder ins Wasser darf hier ohnehin keiner.
Nur diese beiden: Biologin Barbara Jäschke und Chemiker Benjamin Vogel. Zwei große Kisten tragen sie zum schwarzen Schlauchboot, das am Steg liegt und sanft schaukelt. Heute ist Prüftag. Die beiden müssen in die Mitte der Talsperre, nahe an die Staumauer heran. In den Kisten befinden sich eine Sonde, ein gläserner Zylinder mit Klappen an beiden Enden und Flaschen für Wasserproben. Ihren Laptop und lange Seile mit Tiefenmarkierungen haben sie dabei.
Vom Steg bis zu den Markierungsbojen sind es nur 100 Meter. Der Wind kräuselt die Wasserfläche. Die Talsperre ist fast randvoll. Viel Wasser hat die Wilde Weißeritz im Frühjahr 2023 gebracht. „Das war zu Jahresbeginn mit kaum Zufluss noch ganz anders“, sagt Staumeister Michael Kloppisch von der Landestalsperrenverwaltung (LTV). Er trägt die Verantwortung für die Trinkwassertalsperre Klingenberg im Osterzgebirge zwischen Freiberg und Dresden.
Die Quellen ihrer Zuflüsse liegen jenseits der Grenze zu Tschechien im Böhmischen. Mancher Wanderer füllt sich mit dem klaren, frischen Wasser seine Trinkflasche. Auf seinem Weg zur Talsperre rieselt das Nass über Steine, durch geschwungene Bach- und Flussläufe und nimmt dabei Sauerstoff satt auf. Ein typisch weiches Erzgebirgswasser mit wenig Kalk, wie es die Waschmaschine schont, Bierbrauer es mögen und es fürs Teekochen gut sein soll.
Die Biologin und der Chemiker nähern sich der Staumauer, rudernd, denn ein benzingetriebener Motor ist in einer Trinkwassertalsperre nicht erlaubt. Barbara Jäschke lässt das Seil mit der Sonde durch die Hand gleiten. Das Gerät misst die Leitfähigkeit des Wassers, die Rückschlüsse auf den Salzgehalt zulässt, den Sauerstoffgehalt, den pH-Wert und die Wassertemperatur.
Mehr als 30 Meter Seil brauchen die Prüfleute, um die Sonde bis zum Grund ablassen zu können. „Mit den auslesbaren Werten erstellen wir ein Tiefenprofil zur Wasserqualität“, sagt Barbara Jäschke. Üblicherweise wird das Wasser an der tiefsten Stelle der Talsperre zu den Wasserwerken abgelassen. Dort unten ist es am besten: kühl, kaum Schmutzeintrag, die geringste Algenbelastung.
Für dieses Probenwasser sind die Flaschen in der Kiste gedacht. Sie kommen später ins Labor nach Paulsdorf bei Dippoldiswalde, wo die Anteile von Stickstoff, Kohlenstoff, Metallen oder Algen bestimmt werden. „Wir erstellen hier ein komplettes Tiefenprofil“, sagt die Biologin. Nach spätestens 48 Stunden liegt das Ergebnis über die Wassergüte vor.
Als die Sonde wieder oben ist, klappt Benjamin Vogel den Laptop auf und holt die Werte auf den Bildschirm: ph-Wert 7, Wassertemperatur fünf Grad, reichlich Sauerstoffgehalt, Mineralekonzentration im Limit – alles bestens. Die Talsperre Klingenberg liegt 390 Meter über der Meereshöhe und fasst rund 14 Millionen Kubikmeter.
Zusammen mit der flussaufwärts gelegenen Talsperre Lehnmühle, die 525 Meter hoch liegt und gut 17 Millionen Kubikmeter anstaut, bildet sie das wichtigste Trinkwasserreservoir für die Landeshauptstadt und die Wasserversorgung Weißeritzgruppe GmbH. Dresden, Freital, Dippoldiswalde, Tharandt und die umliegenden Gemeinden bekommen das Nass über Rohre und Stollen. 1.000 Liter pro Sekunde verlassen die Talsperre. 800 Liter davon fließen nach Dresden, 200 Liter zu den Orten im Weißeritzkreis.
„Das sind 86.400 Kubikmeter am Tag“, sagt Ehsanullah Amani. Der Wasserbauingenieur ist Betriebsteilleiter im Betrieb Oberes Elbtal bei der Landestalsperrenverwaltung. Die LTV hat einen Liefervertrag mit den beiden Wasserversorgern. „Am Jahresende wird abgerechnet, ob und wie wir die vereinbarte Menge geliefert haben“, erläutert der 58-Jährige.
Dresden deckt aus Klingenberg und Lehnmühle bis zu zwei Drittel seines Wasserbedarfs. Den Rest als Uferfiltrat aus Brunnen entlang der Elbe. Jeder ist froh, wenn in seinem Wohngebiet der Anteil an Erzgebirgswasser besonders hoch ist. 124.000 Kubikmeter schluckt Dresden an einem normalen Tag, am heißen 20. Juli 2022 waren es sogar 162.000 Kubikmeter. Der Bedarf wird steigen: Prognosen sagen für 2030 einen Tagesdurchschnitt von 145.000 Kubikmeter voraus.
Während die beiden auf dem Wasser Werte ablesen, ist im Bauch der Talsperrenmauer Staumeister Michael Kloppisch unterwegs. Er kennt das Bauwerk wie kein zweiter und berichtet, wie es von 1908 bis 1914 Arbeiter – viele aus dem Ausland – in die Höhe mauerten: „Erst haben sie lockeres Gestein abgetragen, dann darauf eine Sohle aus Stahlbeton gegossen. Die eigentliche Mauer besteht aus zigtausenden Gneisgesteinsbrocken. Das ist ein besonders harter und witterungsbeständiger Stein, der von Beton zusammengehalten wird und dichthält.”
Die Mauer verjüngt sich nach oben. Am Fuß ist sie 35 Meter breit, auf der Krone nur fünfeinhalb. Von Ufer zu Ufer misst die Fahrbahn auf der Mauerkrone 310 Meter. Vor zehn Jahren hat die Landestalsperrenverwaltung die Mauer samt ihrer Krone generalsaniert, für rund 85 Millionen Euro. Spezialisten bohrten und mauerten damals einen 3,3 Kilometer langen Stollen um die Hauptsperre herum – ein Bypass für die Wasserversorgung Dresdens während der Bauarbeiten.
Vier Dutzend Stufen ist Staumeister Kloppisch in der Staumauer hinabgestiegen und hat dabei fast die Höhe von vier Stockwerken überwunden. Hier unten rauscht es ordentlich, wir müssen lauter sprechen. Das Wasser, das durch die blauen, meterdicken Rohre fließt, kommt einen Tag später im Wasserwerk Dresden-Coschütz an.
Nur ein paar Sekunden braucht es bis zum Wasserkraftwerk von SachsenEnergie gleich unterhalb der Talsperre. Die Rohre durchziehen die Etagen im Innern der Mauer. Einige davon liegen zehn Meter unter der Wasseroberfläche, andere noch tiefer, weil das Talsperrenwasser in seinen Schichten unterschiedliche Qualitäten aufweist, sagt der Staumeister.
Vor allem im Sommer spielen die Wasserschichten eine Rolle, wenn weniger Frischwasser zufließt. Die Wilde Weißeritz ist dann mitunter nur noch ein Rinnsal. Die Sonne steht hoch und die Temperaturen liegen auch im Gebirge deutlich über 20 Grad. Beste Vermehrungsbedingungen für Algen. „Dann sinkt der Sauerstoffgehalt, und auch Mangan und Eisen können sich aus dem Grund lösen“, sagt Biologin Jäschke.
Um diesem Problem zu begegnen, liegen auf dem Talsperrengrund Schläuche, in die Sauerstoff gepumpt werden kann, der die Metalle bindet. Zum Betreiben der Talsperre gehört mehr, als nur Wasser auffangen und nach Bedarf ablassen.
Staumauern müssen enormen Druck aushalten. 30.000 Kilogramm je Quadratmeter lasten darauf. Damit jede noch so kleine Undichtheit oder gar Bewegung im Stein rechtzeitig erkannt werden kann, gibt es jährliche Untersuchungen. Jan Schreier ist der Experte dafür. Sein Ingenieurbüro in Dippoldiswalde hat sich darauf spezialisiert.
Mit den Geräten, die er an den tiefsten Stellen im Fuß der Mauer an vordefinierte Messpunkte setzt, kann er kleinste Veränderungen wahrnehmen. Auch diesmal schreibt er ins Protokoll: „Alles standfest, keine Verschiebungen im Mauerwerk.“ Die Aufzeichnungen des Messpendels, das in einem Gang im Innern der Talsperrenmauer hängt, bestätigen das. Das Bauwerk steht felsenfest und ist gut in Schuss.
Für den Hochwasserschutz hält die Talsperre Klingenberg gemeinsam mit der Talsperre Lehnmühle einen zusätzlichen Reserveraum von sieben Millionen Kubikmetern vor, etwa die Hälfte der Füllmenge von ganz Klingenberg. Vor dem Regen noch schnell was ablassen, sei jedoch eine heikle Sache. Der Staumeister erinnert sich an das Hochwasserjahr 2013. Damals musste er entscheiden: Zwei Millionen Kubikmeter bestes Trinkwasser einfach rauslaufen lassen, um mehr Stauraum zu haben, oder nicht?
„Wir müssen die Balance finden zwischen dem Schutz der Talsperre, den Bewohnern unterhalb im Ort und dem wertvollen Gut Trinkwasser”, sagt der Betriebsteilleiter. Die LTV mit Staumeister Kloppisch hat diese Balance bisher gut hinbekommen.
Auch das Abstimmen mit den Anwohnern und Betrieben rund um das Gewässer ist immer wieder ein Thema. Wer als Bauer im Schutzgebiet um das Wasserreservoir seine Wiesen und Felder hat, darf nicht einfach wie jeder andere Bauer düngen, damit das Getreide gut gedeiht. Regen kann Dünger in die Talsperre spülen. Landwirte, die deshalb Einbußen haben, bekommen Ausgleichszahlungen.
Begehrt ist der See beim Anglerverein als Revier. Wanderer und Radfahrer umrunden ihn auf einem elf Kilometer langen Weg, auf dem fast immer die Wasseroberfläche durch die Bäume schimmert. Mancher würde sich gern erfrischen, aber im Kilometerabstand steht „Baden verboten“ auf den Schildern. Doch die will in Bier- und Pfingstlaune nicht jeder gelesen haben. „Vor einigen Jahren mussten Sicherheitsdienste beauftragt werden, um unbelehrbare Wildbader abzuhalten”, erinnert sich der Staumeister. Die meisten Wanderer seien allerdings einsichtig.
Rund um die Talsperre führt ein Teilabschnitt des SachsenEnergie-Erlebnispfades. Tafeln mit Texten sowie dazu passenden Fotos und Grafiken bieten Erläuterungen zur Talsperre und deren Geschichte. Fast immer steht daneben eine Bank für die Rast. Auch zur Einkehr nach der Rundwanderung gibt es Gelegenheit. Nahe der Staumauer im „Lindenhof“ und oberhalb des Wanderwegs in der „Waldschänke“ sowie der „Neuen Höhe“.
Die beiden Prüfer sind wieder am Ufer angelangt. Benjamin Vogel vertäut das Schlauchboot sicher am Steg und deckt die Plane darüber. Die Kisten mit Messgerät und Wasserproben sind im Transporter verstaut. Nach zwei Tagen liegt das Ergebnis aus dem Labor vor: bestes Rohwasser für die Trinkwasseraufbereitung in den Wasserwerken.
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