Wasserstoff gilt als Energieträger von morgen: sauber, effizient, klimaneutral. Unser Netzstratege Dr. Jörg Dickert erklärt, warum die Technik so revolutionär wie das Smartphone ist und was ihn daran fasziniert.
Im Fuhrpark der SachsenEnergie stehen jetzt auch Wasserstoffautos. Ist das mehr als ein modischer Gag?
Jörg Dickert: Wir sind neugierig auf die Zukunft. Nur über eine neue Technologie zu reden, ist zu wenig, wir wollen das konkret im Alltag testen. Wie ist die Handhabung eines Brennstoffzellen-Fahrzeugs? Natürlich steckt dahinter mehr: SachsenEnergie als Vorreiter der Elektromobilität will auch Pionier beim Wasserstoff sein. In unserem Fuhrpark mit über tausend Fahrzeugen stehen bereits gut hundert elektrische. Mit Wasserstoff wird die Flotte noch nachhaltiger.
Seit der Ölkrise 1972 gab es immer wieder Wasserstoff-Hypes. Mit Flüssigwasserstoff betriebene Prototypen galten als der letzte Schrei. Heute wird trotzdem das Elektroauto favorisiert. Was lief schief?
Ich würde sagen: Nichts ist schiefgelaufen. Beim batterieelektrischen Auto musste „nur“ die Batterie entwickelt werden. Wasserstoff bedeutet technologisch einen enorm großen Sprung. Es muss nicht nur die Brennstoffzelle entwickelt werden, sondern auch die gesamte Infrastruktur. Dazu gehören auch die Elektrolyseverfahren zur Herstellung des Wasserstoffs. Bei der Elektrolyse wird Wasser unter Strom gesetzt, wobei es sich in Wasserstoff und Sauerstoff teilt. Der Durchbruch der Technik ist nur noch eine Frage der Zeit.
Schon vor 15 Jahren hat der Wirtschaftsvisionär Jeremy Rifkin eine „Wasserstoff-Revolution“ vorhergesagt. Warum glauben Sie, ist gerade jetzt die Zeit reif?
Weil jetzt die Klimaveränderungen sichtbar werden und der Druck wächst. Nachhaltige Strategien sind gefragt. So setzt für das Erreichen der Pariser Klimaschutz-Ziele die Bundesregierung auf den flexiblen Energieträger Wasserstoff, der durch seine Speicherfähigkeit erneuerbaren Strom ergänzt und auch importiert werden kann. Wasserstoff ist der Baustein für die nachhaltige Energiewirtschaft. Er wird den Mobilitätsund Energiesektor verändern wie das Smartphone die Kommunikation.
Grüner Wasserstoff ist wie das iPhone?
Als das Gerät 2007 auf den Markt kam, war das für die meisten Menschen der Beginn der Telekommunikationsrevolution. Für die Mobilfunkanbieter war es seit 2000 mit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen ein Thema, es fehlten nur die Anwendungen. Mit den Smartphones wurde der Netzausbau beschleunigt und neue Dienste wurden und werden entwickelt. Ähnlich ist das beim Wasserstoff. Es gibt Innovationswellen, und neue Technologien wirken wie ein Katalysator.
Strom kann Wasser (H2O) in Sauerstoff (O2) und Wasserstoff (H2) spalten. Wird für diese Elektrolyse elektrischer Strom aus erneuerbaren Quellen genutzt, darf sich der Wasserstoff „grün“ nennen. Noch wird Wasserstoff überwiegend aus Erdgas gewonnen. Pro Tonne Wasserstoff entstehen dabei 10 Tonnen CO2. Dieses weniger klimafreundliche Verfahren erzeugt „grauen Wasserstoff“.
Ist Wasserstoff sexy?
Wasserstoff ist Physik und Chemie – somit eher komplex. Zur Anwendung kommt er durch Ingenieure, denen auch keine Überschwänglichkeit nachgesagt wird. Es macht trotzdem Spaß, sich damit zu beschäftigen.
Warum?
Als Energieversorger denken wir langfristig, in Zeiträumen von 20, 30 Jahren, manchmal sogar noch weiter. Das macht es so spannend: Jetzt schon beim Netzausbau und in anderen Bereichen der SachsenEnergie die Zukunft gleich mitzudenken. Bei Wasserstoff gibt es eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe von der Wärmeversorgung bis zum Fuhrpark. Man könnte auch sagen: einen Wasserstoff-Fanclub.
Abgesehen von der CO₂-Bilanz von grünem Wasserstoff, die bei Null liegt: Was macht für Sie selbst Wasserstoff so attraktiv?
Es gibt keine Ressourcenknappheit wie beim Erdöl und anderen fossilen Energieträgern. Wasserstoff funktioniert heute und er wird weit in die Zukunft noch Energie liefern. Das ist eigentlich das Faszinierende daran.
Ist SachsenEnergie bereit für Wasserstoff?
Tatsächlich ist SachsenEnergie in vielen Bereichen bereit für den Wasserstoff. Das Gasnetz zu 90 Prozent, dabei vor allem die Rohre, die wir verlegt haben.
Wird es bald Wasserstoff-Kraftwerke in Sachsen geben?
Nicht nur, es kommt auf einen intelligenten Technologiemix an. Wir werden zukünftig Brennstoffzellen für die dezentrale Wärme und Stromversorgung einsetzen. Apropos Gas: Der Gasabsatz ist bei SachsenEnergie höher als der Stromabsatz, an kalten Wintertagen sogar um den Faktor 5. Der zukünftige Bedarf kann nicht nur durch Strom gedeckt werden. Für uns hat die Versorgungssicherheit hohe Priorität. Wir nennen das Redundanzen, letztendlich Reservekapazitäten für vermeintlich unerwartete Ereignisse wie etwa die „kalte Dunkelflaute“.
Klingt wie der Titel eines Groschenromans.
Von einer „Dunkelflaute“ spricht man, wenn Solaranlagen und Windräder über einen längeren Zeitraum nur wenig elektrische Energie erzeugen können. Bei Schneelage nimmt die Einspeisung der Solaranlagen dann noch weiter ab. Zu einer „kalten Dunkelflaute“ wird es, wenn arktische Kälte mit sehr niedrigen Temperaturen dazu kommt. Vor solchen Wetterlagen haben wir als Versorger großen Respekt und sind darauf besonders vorbereitet. Wasserstoff als wetterunabhängiger Energieträger könnte dabei in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.
Welche Schlagzeile möchten Sie über Wasserstoff in zehn Jahren lesen?
„Vom Mythos zum Segen – Die Wasserstoff-Zukunft beginnt!“ Oder: „Warum musste man überhaupt so lange darüber diskutieren?“
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