Über den Mut, in der Informationstechnologie als Frau zu arbeiten, das Klischee von Karohemden – und was es bedeutet, sich in Südafrika zu engagieren: Die Unternehmerin Viola Klein im Gespräch mit der Photovoltaik-Ingenieurin Andrea Wildasin-Werner von SachsenEnergie.
Frauen in Führungspositionen – ist das im Jahr 2023 noch ein Thema, das Mut erfordert?
Andrea Wildasin-Werner: Ja. Mädchen wird hierzulande einfach nicht genug Mut gemacht. In Amerika habe ich als Kind fast jeden Tag gehört, dass ich alles machen kann, was ich mir in den Kopf setze. Das vermisse ich in Deutschland.
Viola Klein: Es fehlen Vorbilder. Auf Fotos von wichtigen Ereignissen finden sich vielleicht zwei Frauen in einem Saal voller Männer, im dunklen Anzug. Oder gar keine.
Was kann die Schule dazu beitragen, dass sich an diesem Zustand etwas ändert?
Klein: Ich fände gut, wenn Mädchen und Jungen in Schulfächern wie Mathematik, Physik getrennt lernen, auch im Informatikunterricht. Raten Sie mal, wer dort heute zuerst nach der Computermaus greift. Natürlich die Jungs.
Sie haben es geschafft, sich als Unternehmerin in der männerdominierten IT-Branche durchzusetzen. Haben Sie den Männern die Maus weggenommen?
Klein: Da ich mein Unternehmen mitgegründet habe, konnte mir keiner die Maus wegnehmen.
Welche Beweggründe gab es damals für Sie dafür?
Klein: Ich bin in der DDR geboren und aufgewachsen. Als Leiterin eines Kindergartens war ich im Babyjahr, als 1989 die Wende kam. Plötzlich war alles ganz anders. Ich glaube, ich war die erste Arbeitslose in Dresden, das hatten wir ja vorher nie. Meine Begegnung der dritten Art war ein Bayer, der mir im Arbeitsamt erklärte, dass ich jetzt mit zwei kleinen Kindern zuhause bleiben müsse.
Was war das für ein Gefühl?
Klein: Vollkommen konträr zu dem, was ich bis dahin erlebt hatte. Also kümmerte ich mich selbst um mich. 1992 ging die Saxonia Systems an den Start, die dann bis 2020 in unserem Besitz war.
Geboren 1958 im sächsischen Freiberg. Nach einem pädagogischen Studium gründete sie 1992 die Saxonia Systems, 2001 war sie deutsche Unternehmerin des Jahres. Seit 2006 ist sie Initiatorin der Hope-Gala in Dresden für ein Aids-Projekt in Südafrika. Sie sammelte bereits über 2 Millionen € Spenden.
Wie kamen Sie in die technische Branche, Frau Wildasin-Werner?
Wildasin-Werner: Bei mir ging es in den USA bereits in der Schule los. Ich wollte Kunstgeschichte studieren. Nein, Physik ist besser, sagte mein Lehrer. Du bist ein Mädchen, die suchen dich händeringend.
Ich hatte die Vorstellung von Ingenieuren in karierten Hemden im Kopf. In diese Welt passe ich nicht rein, dachte ich. Über die Kunstgeschichte kam ich zur Baugeschichte und am Ende hat mir die Baustellen-Praxis am meisten Spaß gemacht.
Warum verschlug es Sie 1998 als US-Bürgerin nach Deutschland?
Wildasin-Werner: Über ein Stipendium. Und dort bin ich in den technischen Bereich hineingeglitten. Über das Bauen mit Carbonbeton zur Planung für Gebäude und Fassaden und dann zur Photovoltaik. Und jetzt arbeite ich bei SachsenEnergie im Bereich Solarenergie.
Sie haben beide Kinder. Welche Erfahrungen haben Sie als junge Mutter gemacht?
Wildasin-Werner: Ich habe in einem sehr verständnisvollen Unternehmen gearbeitet, als meine Kinder klein waren. Trotzdem sagte ich nie, dass ich sie am Nachmittag abholen muss. Ich wollte die Kinder nicht zum Hindernis machen, damit ich vorankomme. Ich habe beide ins Bett gebracht und bin dann nochmal zur Arbeit gefahren. Teilweise bis zwei Uhr früh.
Wie bitte?
Wildasin-Werner: Ich wollte mir einfach nicht die Blöße geben, etwas nicht zu schaffen ...
Geboren 1973 in Hanover, Pennsylvania, USA. In den USA Studium in Kunstgeschichte, Deutsch und Geschichte, ab 1998 Studium der Architektur in Dresden. Von 2009 an in der Photovoltaikbranche, seit 2021 bei SachsenEnergie in der Abteilung Neue Energien. In ihrer Freizeit gärtnert sie oder läuft Marathon.
Frau Klein, sehen Sie das genauso?
Klein: Noch lange nach der Jahrtausendwende gab es die Vorstellung, die Frau müsse sich ausschließlich um die Kinder kümmern. Als im Jahr 2007 die Elternzeit für Männer eingeführt wurde, dachte ich, die Familienministerin Ursula von der Leyen spinnt. Weil es die Unternehmen bezahlen müssen.
Aber ich habe dann Folgendes beobachtet: Junge Männer in meiner Firma nahmen die Elternzeit in Anspruch. Und waren danach besser organisiert als davor.
Sie sehen das Gesetz also heute nicht mehr so kritisch?
Klein: Ich lag falsch mit meiner Ablehnung. Es war eine Maßnahme, die alle zwang, das Vorhandene infrage zu stellen.
Mit der Lebenserfahrung von heute: Hätten Sie sich vor 20 Jahren mehr gewehrt?
Klein: Gute Frage! Die Erfahrung von heute hätte ich mir damals gewünscht. Oh, was hätte ich für Fehler vermeiden können!
Zum Beispiel?
Klein: Meine Branche bestand früher fast ausschließlich aus Männern. Auf Kongressen gab es immer ein Damenprogramm, ich hatte einmal meinen Mann mitgebracht und sie mussten deshalb ein Partnerprogramm daraus machen. Wie oft stand bei mir „Herr Klein“ auf dem Namensschild bei einem Podium, weil die Veranstalter gar nicht damit gerechnet haben, dass da eine Frau kommt.
Das sind keine Fehler, die Sie hätten vermeiden können …
Klein: … doch. Vielleicht hätte ich mich nicht so sehr zurückhalten sollen mit dem, was ich kann. Einer neuen Software beispielsweise, die eleganter entwickelt war, weil sie von einer Frau stammte. Aber das merkt niemand, wenn du nicht lautstark darauf hinweist.
In welchen Situationen haben Sie gedacht, jetzt würde ich gerne was anderes machen, aber mir fehlt der Mut?
Wildasin-Werner: Vor zehn Jahren war ich Projektleiterin in der Produktion technischer Filme. Viele große Konzerne haben bei unserer Firma ihre Filme bestellt, wir waren erfolgreich. Trotzdem merkte ich, dass ich den Mut finden muss, zu dem zurückzugehen, was mir mehr Spaß macht – mir haben die Baustellen gefehlt.
Ich empfinde Stolz, wenn ich mit meinen Kindern durch Städte laufe und zeigen kann, woran ich gearbeitet habe. Für mich ist das wichtig, um meinen Töchtern zu vermitteln, dass sie alles machen können, was sie sich vornehmen.
Viola Klein
Frau Klein, was war das Mutigste, was Sie beruflich gemacht haben?
Klein: Das war 1992, als ich entschied, mich selbstständig zu machen. In einer Zeit, wo es hier in Dresden drunter und drüber ging.
Inwiefern?
Klein: Ein System war zusammengefallen, aber es war noch nichts Neues da. Es gab nur die Versprechen davon, was möglich wäre. Ich war damals bei einer Weiterbildungsakademie angestellt und kündigte selbst. Meine Eltern sind aus allen Wolken gefallen. Ich hatte keine Ahnung, was da alles auf mich zukommt.
Hat Ihr Unternehmen schnell funktioniert?
Klein: Wir waren sehr schnell erfolgreich. In einer für mich unbekannten Welt, zu DDR-Zeiten durfte ein Unternehmer maximal zehn Leute beschäftigen. Zwei-, dreimal standen wir in der Entwicklung des Unternehmens aber auch kurz vor der Pleite.
Sie werben um Spenden für Projekte in Südafrika, Frau Klein. Braucht es dafür Mut?
Klein: Definitiv, das ist Verantwortung. Und die drückt. Ich kann nicht von jetzt auf gleich sagen, dass ich damit aufhöre.
Wie kam es zu diesem Engagement?
Klein: Der Auslöser war die Hochzeit meines Geschäftspartners. Seine Frau und er wollten heimlich heiraten und sind dafür nach Südafrika geflogen. Der Pfarrer wollte kein Geld dafür, sondern Unterstützung seiner sozialen Arbeit. Einen Monat später war ich dort. Auf hohen Absätzen in den Townships.
Was haben Sie dort gesehen?
Klein: Ich war in Krankenhäusern, wo viele Patienten die nächste Woche nicht mehr überlebten. Da spürt man, dass wir hier in Europa oft mit Sachen kämpfen, die die Südafrikaner nicht verstehen können.
Welche Ziele verfolgen Sie?
Klein: Mit den Erlösen unserer Hope-Gala und unserer Stiftung setzen wir uns für Frauen ein, die dank einer besonderen Behandlungsmethode trotz HIV-Virus ein gesundes Kind zur Welt bringen können. Wir betreuen 800 Geburten im Monat und konnten hier die Übertragungsquote von 70 auf ein Prozent senken. Wir ersparen es den Kindern, ein Leben lang Medikamente nehmen zu müssen.
Wir haben anfangs über Vorbilder in Sachen Mut gesprochen. Wer sind Ihre?
Wildasin-Werner: Es gibt so viele Menschen, die mutige Sachen machen, von denen man nie erfährt. Mit dem Thema Photovoltaik auf alten Bergbauminen durfte auch ich in Südafrika Menschen treffen, die im Alltag viel Mut beweisen. Ich denke auch an die Menschen in der Ukraine und im Iran. Ich weiß nicht, ob ich so mutig wie sie wäre.
Was sind Ihre persönlichen Ratschläge in Sachen Mut?
Wildasin-Werner: Auf seinen Bauch hören und das durchsetzen, von dem Sie denken, das ist jetzt Ihre Bestimmung.
Klein: In Situationen, die brenzlig sind, setze ich mich ganz ruhig hin und mache eine Liste. Dann priorisiere ich: Sind das Dinge, die ich nie ändern kann – oder kann mir jemand helfen, sie zu ändern? Zum Mut gehört auch, um Hilfe zu bitten. Nur wenn man überhaupt nichts unternimmt, wird man verlieren.
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